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Mit Bakterien gegen Harnwegsinfektionen.
ForschungInnovation

Mit Bakterienkillern und Immunboostern gegen Harnwegsinfekte

Das jüngste Flagship-Projekt der Hochschulmedizin Zürich (HMZ), «ImmunoPhage», sucht nach Behandlungsalternativen zur Antibiotikatherapie. Speziell modulierte Viren – sogenannte Bakteriophagen – wirken gegen Bakterien und stärken die Immunabwehr.

Priska Scherzer, Fachspezialistin Unternehmenskommunikation

Das Projekt «ImmunoPhage» wurde als Flagship-Projekt 2020 ausgewählt, wie die Hochschulmedizin Zürich (HMZ) an ihrem Jahresanlass am 12. November 2020 bekanntgab. Massgeschneiderte Bakeriophagen als Behandlungsalternative zur Antibiotikatherapie von Harnwegsinfekten zu etablieren; so beschreibt Prof. Dr. med. Thomas M. Kessler von der Neuro-Urologie das Ziel des neuen Flagship-Projekts. «Damit möchten wir einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen leisten.» Viele Patienten mit Rückenmarksverletzung leiden an Harnwegsinfekten, die wiederholt mit Antibiotika behandelt werden müssen. «Antibiotika-resistente Bakterien werden somit auch für sie zu einem Problem», sagt er. Es brauche dringend Therapie-Alternativen. 

Im Rahmen eines SNF-Forschungsprojekts führten wir zusammen mit Kollegen in Tiflis die weltweit erste randomisierte und kontrollierte klinische Studie zur Wirksamkeit von Bakteriophagen bei Harnwegsinfekten durch.

Bakteriophagen als Wunderwaffe gegen Antibiotika-Resistenzen

In Staaten der Ex-Sowjetunion, beispielsweise Georgien, werden bakteriellen Infektionen seit über hundert Jahren mit Bakteriophagen behandelt, während diese mit der Entdeckung der Antibiotika in den 1920er-Jahren bei uns vergessen gingen, erklärt Thomas Kessler. «Im Rahmen eines SNF-Forschungsprojekts führten wir zusammen mit Kollegen in Tiflis die weltweit erste randomisierte und kontrollierte klinische Studie zur Wirksamkeit von Bakteriophagen bei Harnwegsinfekten durch.» 

Im Rahmen dieses Forschungsprojekts werden wir damit erstmals Harnwegsinfekte bei unseren Patienten behandeln.

Die Studie zeigte, dass die Therapie mit natürlich vorkommenden Bakteriophagen optimiert werden muss. «Mit Prof. Martin J. Loessner von der ETH und Prof. Onur Boyman vom USZ und der Universität Zürich haben wir geeignete Partner gefunden», sagt Thomas Kessler. Im Forschungsprojekt werden Bakteriophagen mittels Bio-Engineering aufgerüstet und so für die Behandlung von Harnwegsinfekten «personalisiert». Diese «Designer-Bakteriophagen» zerstören die Bakterien und aktivieren zusätzlich das Immunsystem. Thomas Kessler ergänzt: «Im Rahmen dieses Forschungsprojekts werden wir damit erstmals Harnwegsinfekte bei unseren Patienten behandeln».

Interview mit Prof. Dr. Thomas M. Kessler, einer der drei Projektleiter des Flagship-Projekts


Prof. Dr. med. Thomas M. Kessler, Chefarzt Neuro-Urologie

Prof. Dr. Kessler, am 12. November 2020 wurde bekannt gegeben, dass «ImmunoPhage» das neue Flagship-Projekt 2020 der HMZ ist. Um was geht es dabei?

Mit Hilfe von massgeschneiderten Bakeriophagen (Kurzform: Phagen) möchten wir eine neue, möglichst nebenwirkungsfreie Behandlungsmethode zur Therapie von Harnwegsinfekten etablieren und einen Beitrag im weltweiten Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen leisten.

Warum ist das gerade für das Patientengut der Universitätsklinik Balgrist interessant?

Viele unserer Patienten mit Rückenmarksverletzung leiden an Harnwegsinfekten, die wiederholt mit Antibiotika behandelt werden müssen. Antibiotika-resistente Bakterien werden somit auch für sie zu einem Problem. Wir brauchen dringend Therapie-Alternativen. Natürliche Bakterienkiller, sogenannte Bakteriophagen, könnten eine Wunderwaffe gegen Antibiotika-Resistenzen werden.

Woher kommt dieses Behandlungskonzept?

In Staaten der Ex-Sowjetunion werden bakteriellen Infektionen seit über hundert Jahren mit Bakteriophagen behandelt, während diese mit der Entdeckung der Antibiotika in den 1920er Jahren bei uns vergessen gingen. Im Rahmen eines SNF-Forschungsprojekts führten wir zusammen mit in der Phagentherapie erfahrenen georgischen Kollegen in Tiflis die weltweit erste randomisierte und kontrollierte klinische Studie zur Wirksamkeit von Bakteriophagen bei Harnwegsinfekten durch. Mit den damit gewonnenen Erkenntnissen gelang es uns, hier in der Schweiz weitere Bakteriophagen-Projekte wie «ImmunoPhage» zu initiieren.

Nun richten Sie diese Phagen quasi auf Bakterien ab,  wie geht das genau?

Durch unsere Studie in Tiflis haben wir realisiert, dass wir die Therapie mit natürlich vorkommenden Bakteriophagen optimieren müssen, um einen Durchbruch bei der Behandlung von Harnwegsinfekten zu erreichen. Mit dem Team von Prof. Martin J. Loessner (Institut für Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit, ETH Zürich) und dem Team von Prof. Onur Boyman (Klinik für Immunologie, Universitätsspital Zürich, und Universität Zürich) haben wir geeignete Partner gefunden. Die Bakteriophagen werden durch Bio-Engineering aufgerüstet, das heisst sie werden künstlich hergestellt und durch den Einbau von spezifischen Genen für die Behandlung von Harnwegsinfekten «personalisiert». Diese mittels Katheter in die Harnblase eingebrachten «Designer-Bakteriophagen» zerstören dort die Bakterien und aktivieren zusätzlich das Immunsystem.

Was ist das Ziel? 

Im Rahmen des translationalen Ansatzes des Forschungsprojekts entwickeln wir diese personalisierten «Designer-Bakteriophagen» und behandeln damit die Harnwegsinfekte bei unseren Patienten. Basierend auf den Erkenntnissen wollen wir in drei Jahren eine grossangelegte Studie zu dieser Thematik starten.

Über das Projekt

Die Hochschulmedizin Zürich (HMZ) vernetzt alle medizinischen Bereiche der Zürcher Hochschulen. Sie stösst unter dem Label «Flagship» visionäre und institutionenübergreifende Grossprojekte an. Am 12. November 2020 gab die HMZ das neue Flagship-Projekt 2020 bekannt: «ImmunoPhage». Die Forschungskooperation vereint die Kompetenzen der drei Partner in Bio-Engineering, Immunologie sowie in klinischer Medizin: Prof. Martin J. Loessner vom Institut für Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit der ETH, Prof. Onur Boyman von der Klinik für Immunologie am USZ und der Universität Zürich sowie Prof. Thomas M. Kessler von der Abteilung für Neuro-Urologie an der Universitätsklinik Balgrist und der Universität Zürich. «The LOOP Zurich», das medizinische Zentrum für translationale Forschung und Präzisionsmedizin, fördert das Projekt mTORUS mit 5 Mio. Franken. Lesen Sie hier aktuelle Entwicklungen zum Projekt

Prof. Dr. med. Thomas M. Kessler 

ist Chefarzt Neuro-Urologie an der Universitätsklinik Balgrist und Professor der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich.

Haben Sie Fragen zum Artikel? Dann melden Sie sich gerne via kommunikation@balgrist.ch